Alpha-Novum
Kapitel 1: Der Auftrag
Die künstlichen Lichter des taktischen Besprechungsraums flackerten, als das Team eintrat. Man könnte meinen, dass eine Eliteeinheit, die für den Erhalt der globalen Sicherheit verantwortlich ist, mit besserer Beleuchtung ausgestattet wäre. Doch das Team, bekannt als „Alpha-Novum“, war Kummer gewohnt. Sie bestanden aus acht speziell ausgewählten Individuen: Major Lena Arendt, die Kommandantin, Captain Tomas Leclerc, dem Strategen, Sergeant Mike „Micky“ O’Hara, der Sprengstoffexperte mit einem Humor so schwarz wie das Weltall, Lieutenant Yuki Takahashi, die Technikspezialistin, Private First Class Diego Moretti, der Scharfschütze mit einem Faible für Operngesang in den unpassendsten Momenten, und Corporal Hannah Smith, die Sanitäterin, die immer auf der Suche nach einem weiteren Pflaster zu sein schien.
Der Raum füllte sich mit einem schwachen Brummen, als der Projektor ansprang und ein holografisches Bild über dem Tisch erschien. Ein unbenannter Planet drehte sich langsam auf der Stelle. Dr. Heinrich Keller, der Wissenschaftler, der ihre Mission beaufsichtigen würde, räusperte sich und nahm das Wort.
„Willkommen zum Operationsbriefing“, begann er mit einer Stimme, die so trocken war, dass man damit Toast hätte rösten können. „Unsere Zielkoordinaten führen uns zu einem neu entdeckten Planeten in der Andromeda-Galaxie, K-2118B. Die dortigen Anomalien haben das Potenzial, die fundamentale Struktur der Realität zu verändern.“ Er legte eine bedeutungsschwangere Pause ein und ließ die Schwere seiner Worte wirken.
„Kommen wir zu dem Teil, der uns wahrscheinlich das Genick brechen wird“, murmelte Micky, während sich Yuki über die Zuweisungen hinweg beugte, ihre Augen fest auf die technische Ausstattung des Planeten geheftet.
„Das Objekt, das diese Anomalien verursacht“, fuhr Dr. Keller fort, „ist ein Wesen unbekannter Herkunft. Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass wir genauer untersuchen, welche Bedrohung es darstellt. Unsere Sensoren haben bisher nur verzerrte Daten gesammelt.“ Auf dem Bild erschienen rätselhafte Wellen, die scheinbar wahllos über den Planeten glitten.
„Hört sich an wie ein wissenschaftlicher Albtraum“, warf Diego mit einem schelmischen Grinsen ein, während er auf seinem Stuhl hin und her kippte. Lena Arendt warf ihm einen scharfen Blick zu, der selbst Fels zum Schmelzen bringen konnte. „Konzentrieren wir uns“, ermahnte sie. „Wir haben einen Job zu erledigen.“
Mit einem kurzen Knopfdruck beendete Dr. Keller die Präsentation. „Noch Fragen?“
„Nur eine“, meinte Leclerc und sah kurz auf. „Wie kommen wir da heil wieder raus?“
Nur Dr. Keller schien den Humor zu übersehen. „Wir gehen davon aus, dass das Wesen uns nicht aggressiv begegnet, sondern eher eine defensive Position einnimmt. Doch seien Sie auf alles vorbereitet.“
Mit einem erleichterten Seufzer stand das Team auf, bewaffnet mit Informationen und einer ordentlichen Menge Zweifel. Die nächsten Stunden verbrachten sie mit der Einrichtung und letzten Vorbereitung ihrer Ausrüstung. Micky und Yuki überprüften die Grenzwerte ihrer Rüstungen, während Hannah sorgsam ihre medizinischen Vorräte sortierte. Unterdessen verfeinerte Leclerc den Einsatzplan und teilte jedem Teammitglied seine spezielle Aufgabe zu.
Nicht lange darauf, im Laderaum des Shuttle, fühlte sich die Luft dick vor Anspannung. Jeder Puls im Raum war zu hören, verstärkt durch das fast unmerkliche Summen der Warptriebwerke. Dann, mit einem sanften, fast unmerklichen Ruck, sprang das Shuttle nach vorne und begann die Reise in die unbekannten Gefilde des Weltalls.
Die Ankunft auf K-2118B war beinahe antiklimatisch. Der Planet war, zumindest aus der Distanz betrachtet, unauffällig – eine silberblaue Kugel aus Wolken und Landmassiven, durchzogen von grellen Adern, die sich wie flüssiger Goldstaub über die Oberfläche legten. Doch als das Team die Atmosphäre betrat, wurde ihnen klar, dass hier nichts so war, wie es schien.
„Die Sensoren spielen verrückt“, berichtete Yuki, während sie auf ihr Datapad starrte, und versuchte, die unmöglichen Informationen zu entschlüsseln. „Es scheint, als wäre die physische Landschaft hier… flexibel?“ Ein nervöses Lachen entrang sich ihrer Kehle, während die Landung eingeleitet wurde.
Mit einem Ruck setzten sie auf festem Boden auf. Die Luke des Shuttles öffnete sich zischend und entließ das Team in eine Umgebung, die sowohl vertraut als auch unbeschreiblich anders war. Die Luft war dick und perlte in kleinen Schimmern um sie herum. Es war, als würde die Umgebung nach ihrer Form greifen und doch völlig ungeformt bleiben.
„Wunderschön“, flüsterte Hannah. Vor ihnen erstreckte sich eine Landschaft aus fantastischen Farben und Formen, doch unter der Oberfläche lag eine bedrohliche Stille. Eine endlose, fremdartige Weite erstreckte sich um sie herum, und über allem lastete das Gefühl von Erwartungen und lauernder Gefahr.
„Lasst uns nicht zu lange bewundern“, rief Lena ihre Einheit zur Ordnung. „Wir haben eine Mission. Los geht’s.“
Mit einem entschlossenen Nicken setzte sich Alpha-Novum in Bewegung. Sie marschierten in eine unbekannte Realität auf der Suche nach einem Wesen, dessen Macht das Gleichgewicht des Universums in Frage stellen konnte.
Kapitel 2: Die Entdeckung
Die Dämmerung auf dem Planeten Alpha-Novum war eine bizarre Mischung aus Farben, die die Eliteeinheit in ihren Bann zog. Der Horizont leuchtete in einem befremdlichen Lila, das in ein giftiges Grün überging und schließlich in ein tiefes Schwarz verlief, das die Sterne vollkommen verschluckte. Major Lea Kincaid, die Anführerin der Einheit, schnaufte. “Ein normaler Sonnenaufgang wäre zu langweilig gewesen, was?”, murmelte sie sarkastisch, während sie die Umgebung musterte.
Das Team setzte seine Erkundung fort. Sergeant Victor “Vic” Molina, die Nummer zwei im Team und stets für einen schiefen Spruch gut, deutete auf eine Gruppe bizarr geformter Felsen. “Denkt ihr, die sind von Natur aus so verbeult, oder haben Außerirdische mit gigantischen Presslufthämmern nachgeholfen?”
Ein leises Lachen ging durch die kleine Truppe, ehe sie sich wieder auf ihre Mission konzentrierten. Ihre Zielvorgabe war klar: das rätselhafte Wesen lokalisieren, untersuchen und berichten. Kein Kontakt, keine Provokation – so hieß es im Briefing.
Innerhalb von Stunden nach ihrer Ankunft registrierten sie jedoch erste Anomalien. Soldat Carter, der Neuling in der Einheit, starrte auf seine Ausrüstung. “Meine Anzeige spinnt. Die Temperatur ändert sich hier alle fünf Minuten von arktisch zu saharisch.”
Kincaid runzelte die Stirn, als sich ein unerklärlicher Windstoß über die Gruppe legte, dessen Ursprung sie sich nicht erklären konnte. Der Boden unter ihren Füßen pulsierte für einen Augenblick, als hätte der Planet selbst geatmet. Ein Phänomen oder einfach nur derselbe Wahnsinn, der einem bei Einsätzen in fremden Welten begegnet? Schwer zu sagen.
Plötzlich bemerkte die Einheit Bewegung im Augenwinkel. Ein Schatten huschte durch das ohnehin dämmerige Licht, hinterließ jedoch keine Spuren. “Da drüben!”, rief Molina, seine Waffe im Anschlag. “Etwas hat sich bewegt!”
Alle Spannung löste sich in Scherben, als sie auf Sergeant Kyles intensiven Gesichtsausdruck stießen. “Es war eine Illusion,” sagte er, aber ein Hauch Zweifel nagte an seinen Worten. Alle innerhalb des Teams bewegten sich vorsichtiger, als ob jeder Schritt eine potenzielle Falle sein könnte.
Doch die wahre Erschütterung kam nicht von außen. Als die Einheit tiefer ins unheimliche Gelände vordrängte, begannen sich die Grenzen der Realität um sie herum zu verschieben. Kincaid schwor, ein zufriedenes Lächeln in einem Felsen gesehen zu haben, obwohl sie wusste, dass das wettergegerbte Gestein so etwas nicht tun konnte.
Auch infolge wachsender Spannungen innerhalb der Einheit wurden die Nerven auf die Probe gestellt. Private Jenkins, sonst immer ein Fels in der Brandung, begann plötzlich, unzusammenhängende Worte zu murmeln. Schweiß stand ihm auf der Stirn, obwohl die Umgebungstemperatur mittlerweile gefriertauglich war. Ohne es wirklich zu bemerken, schienen die anderen Stimmen in ihrem eigenen Kopf zu hören – ein sirrendes Flüstern, das von weit entfernten Orten schien.
Doch das Wesentliche, das den Rest beim Erkundungsgang ausmerkte, war die offensichtliche Einwirkung auf Private Theresa, eine Kommandosoldatin, die normalerweise mit Leib und Seele bei der Sache war. Immer dann, wenn der Wind erneut an Kraft gewann, zogen sich ihre Gesichtszüge zusammen, als ob da etwas Unerklärliches im Rücken lauerte. Bald darauf änderte sich ihre Sicht auf die Welt, wuchs zu einer Bedrohung, die von außen unsichtbar blieb. Ihre Kameraden wussten um das flackernde Licht in ihren Augen und erkannten mit Schrecken, dass das beängstigende Gebilde auf sie eingewirkt hatte.
“Theresa? Alles in Ordnung?”, fragte Molina vorsichtig, aber sie schwieg. Die Antwort kam erst, als ein bedrohliches Funkeln in ihren Augen aufblitzte und ihre Kollegen schlagartig auf Abstand gehen ließ. Der unheimliche Höhlenatem, diese Windgabe des Wesens, floss durch ihre Venen und pflanzte fremde Realitäten in ihr Bewusstsein.
Kincaid schluckte, kämpfte gegen ihren instinktiven Impuls an, die Kontrolle über die Situation zu übernehmen. “Okay, Leute. Entweder wir finden schnell heraus, was hier passiert, oder wir verschwinden. Bevor noch einer von uns ausflippt.”
Doch alle wussten, dass das leichter gesagt als getan war. Die Realität schwankte und bog sich, knisterte wie ein gespanntes Kabel. Es blieb wenig Handlungsspielraum, während sie sich zunehmend wie Spielbälle in einem kosmischen Spiel fühlten, das sie weder verstanden noch lenken konnten.
Die Erkundung, die so harmlos begonnen hatte, entwickelte sich mehr und mehr zur Entgleisung in apokalyptische Ausmaße, die das Team von innen heraus zu kippen drohte. Das Wesen – was immer es war – spielte mit ihnen wie ein Puppenspieler, der seine Fäden zielt dosiert griffbereit hielt. Ihr Weg, die Lösung zu finden, entwickelte sich rasant zu einem unkontrollierten Tanz auf Messers Schneide.
Kapitel 3: Der Abstieg in den Wahnsinn
Bereits am dritten Tag auf Alpha-Novum begann die Wirklichkeit Blasen zu werfen, als ob sie ein wenig Wasser unter einem heulenden Orkan wäre. Captain Leah Carter, die Anführerin der Einheit, saß in der kleinen Kommandoeinheit und starrte auf den Monitor, während ihre Gedanken wie lose Blätter durch einen Herbststurm wirbelten. Das Bild auf dem Bildschirm flackerte, und für einen Moment glaubte sie, darin das Gesicht ihrer längst verstorbenen Schwester zu erkennen.
“He, Captain,” unterbrach Sergeant Kyle mit seiner heiseren Stimme, die so rau war wie die Flächen eines Asteroiden, “ich glaube, John hat endgültig den Verstand verloren.”
Leah wandte ihren Blick schweren Herzens vom Monitor ab und schaute aus dem Panoramafenster der Station. Draußen ragten bizarre, verdreht aussehende Bäume in den rötlichen Himmel, ihre Äste verwoben sich wie ein unentwirrbares Knäuel aus Fäden. John stand dort, mit leerem Blick, die Hände verzweifelt gen Himmel gestreckt, als flehe er um Gnade von einem Gott, den nur er sehen konnte.
“Danke, Sergeant,” sagte Leah und fühlte, wie sie ein wenig von der Kontrolle, die sie mühselig bewahrt hatte, verlor. “Wir müssen ihn reinholen. Es beginnt.”
Die Realität begann sich aufzulösen, die Grundfesten dessen, was sie zu kennen glaubten, verwandelten sich in ein Kaleidoskop aus Wahnsinn und Illusion. Die Einheit, die einst so diszipliniert und geordnet war, sah sich nun ungläubig den eigenen Ängsten und Unsicherheiten gegenüber.
Während Leah und Kyle John vorsichtig zurück in die Basis schleppten, hörten sie, wie er mit panischem Unterton von Schatten murmelte, die lebendig geworden seien. Jeder Satz schien von einem kalten Schauer begleitet, der die Luft schneidend durchzog.
Im Inneren der Station lagen verstreut Notizen, Logbücher und Karten auf den Boden geworfen, als wären sie Überbleibsel eines krampfhaften Versuchs, die Kontrolle zu bewahren. Lieutenant Harper versuchte verzweifelt, die Kommunikation mit der Erde wiederherzustellen, während sie den Rhythmus der Kontrolle über immer unlogischere Anzeigen verfluchte.
“Das Wesen,” begann Leah, in der Hoffnung, Klarheit in die Verwirrung zu bringen, “es scheint in der Lage zu sein, unsere Gedanken zu beeinflussen, unsere Wahrnehmung zu verdrehen. Wir müssen…”
“Was müssen wir, Captain?” unterbrach sie Cole, das jüngste Mitglied der Einheit, das vor kurzer Zeit noch unter dem Einfluss des Wesens gestanden hatte. Sein Lächeln war nervös, beinahe satirisch. “Wir sind in einer stinkenden Wahrheit fest, die wir nicht riechen wollen. Manchmal scheint es, als sei der wahre Alptraum die Art und Weise, wie wir unser eigenes Drama inszenieren!”
Die unerträgliche Spannung brach über die Einheit herein, als die Dämonen ihrer Psyche sie einen nach dem anderen bedrängten.
John sprach nicht mehr von Schatten, sondern von dem Gefühl, dass die Wände auf ihn zu rücken schienen. Harper verlor sich in einem Gewirr von Stimmen aus dem Funkgerät, die laut Namen nannten, die er nie gehört hatte, während Cole immer wieder dieselben Worte aus den Logbüchern laut vorlas, als wären es Zaubersprüche, die ihn beschützen könnten.
In diesem Chaos keimte plötzlich ein Funke der Hoffnung auf. Während der Wahnsinn den Verstand ihrer Kameraden zersetzte, erhielt Leah eine Vision. Inmitten der verzerrten Realität zeigte sich ihr das Wesen in seiner wahren Gestalt: ein leuchtendes, pulsierendes Wesen, das scheinbar aus reinem Gedankenstoff bestand. Es erschienen flüchtige Echos von Erinnerungen, als würde das Wesen selbst Teile der Realität stehlen und wieder einsetzen wie ein Puzzle, das nie ganz passte.
Als Leah verzweifelt versuchte, diese Vision zu entschlüsseln, geschah der unvermeidliche, verhängnisvolle Zwischenfall. Moira, die Sprengstoffexpertin, die keine Angst kannte, fand sich gefangen in einer von ihr selbst vorbereiteten Sperre. In ihrer verzerrten Wahrnehmung sah sie eine glückselige Landschaft, wo in Wahrheit ein zerklüfteter Graben war. Der donnernde Klang der Explosion erschütterte sowohl die Basis als auch die verbliebenen Sinne der Einheit.
Moira, die niemals mehr sprechen würde, war für immer in jener Interpretation ihrer Realität gefangen geblieben. Dieser Verlust spaltete die Einheit, entband sie scheinbar von der leichten Kontrolle, die im Kontrollwahnsinn noch verblieben war. Der Abstieg in den Wahnsinn lag unausweichlich vor ihnen, ein Abgrund voller gequälter Illusionen.
Langsam begannen sie zu realisieren, dass ihr eigentlicher Feind nicht das Wesen, sondern die Grenzen ihres eigenen Verstands waren. Leah wusste in diesem Moment, dass der folgende Kampf nicht mit Waffen ausgefochten würde, sondern in den Tiefen ihres eigenen Bewusstseins, gegen ein Wesen, das die Realität formte wie ein Bildhauer seinen Ton.
Die Einheit, nun fragmentiert und mit wachsenden Zweifeln behaftet, stand am Rande eines Abgrunds, in dem Realität und Fiktion zu einem Horror verwoben waren, den keiner von ihnen alleine bewältigen konnte.
Kapitel 4: Die Wahrheit offenbart sich
Dicht an dicht gedrängt stand die Eliteeinheit im flackernden Schein des holographischen Projektors, der surreal verzerrte Bilder des fremden Planeten um sie herum in die Luft malte. Seit Tagen wichen Realität und Halluzinationen nicht mehr voneinander, und während die physischen Gesetze hier versagten, schmiedete die Psychose ein gnadenloses Netz um ihre Vernunft. Sergeant Cole, normalerweise das kühle Haupt der Truppe, rieb sich verbissen die Stirn. Die verzweifelte Frage „Was zur Hölle passiert hier?“ war längst irrelevant geworden.
Zu Beginn, vor endlosen Momenten des Wahnsinns, hatte die Einheit geglaubt, es gäbe Regeln auf diesem Planeten. Doch hier, wo das Wesen die Realität nicht nur biegen, sondern neu erschaffen konnte, waren ihre Erwartungen der erste Fehler gewesen. Sie brauchten Antworten, doch das Wesen bot ihnen nur Fragen in den Schleiern seiner abgesponnenen Albträume.
Plötzlich ergriff Lieutenant Vega das Wort. Ihr Ton brach die Stille wie ein Paukenschlag in einem stillen Konzert. „Wir müssen verstehen, was es will und warum es uns auf diese Art und Weise manipuliert.“ Auf Vegas Gesicht stand eine unverkennbare Entschlossenheit, die selbst in diesem Chaos ungebrochen blieb.
Der dunkelhaarige, zynische Corporal Jenkins schnaubte verächtlich. „Verstehen? Sollen wir es erst fragen, wie es seinen Tee trinkt, bevor es uns eine neue Dimension zeigt?“ Sein Sarkasmus war oft seine Art, den Nervenkrieg zu überstehen, doch alle wussten, dass Jenkins weniger nüchtern als nervenzerrüttet war.
„Es gibt keine Zeit für Sarkasmus, Jenkins“, unterbrach Captain Léon mit Nachdruck, während er einen strategischen Blick über das auf der Konsole pulsierende Energiediagramm des Wesens warf. „Wir haben eine verdammte Mission zu erfüllen – und das wird durch die Verwirrung und die Machenschaften von innen nicht einfacher.“
Plötzlich flackerte das Licht und die Umgebung wandelte sich. Die Landschaft, die eben noch die kargen, zerklüfteten Felsen zeigte, verwandelte sich in den dichten Unterholz eines verrottenden Waldes. Die Temperatur fiel um gefühlte zwanzig Grad, und plötzlich war Atem sichtbar.
Doc, der medizinische Offizier der Gruppe, kramte instinktiv nach einem Thermometer. Doch als er das vergebliche Unterfangen erkannte, ließ er es sinken. „Es geht ihm nicht darum, uns zu töten“, murmelte er nachdenklich, „sondern uns in ein Schachspiel mit unbekannten Regeln zu ziehen.“
Knurrend vor Unmut, stampfte Cole mit dem Stiefel den unerwarteten Schnee unter sich nieder. „Dann finden wir die verdammten Regeln. Wir sind keine Schachfiguren, wir sind die Schachspieler!“ Plötzlich hörte man einen gedämpften Schrei aus der anderen Ecke der temporären Kommandozentrale.
Schnell stürmten sie zu Sanchez, dem Kommunikationsspezialisten, der, seinen Kopf in den Händen, vollkommen die Kontrolle verlor. „Die Stimmen…sie erzählen mir Dinge. Schreckliche Dinge!“
Vegas Stimme klang warm und beruhigend, als sie sich an Sanchez wandte. „Es ist das Wesen, das versucht, mit uns zu kommunizieren. Du bist stark, Sanchez, lass dich nicht verhöhnen.“ Doch alle wussten, dass die Grenze zwischen Wahnsinn und Realität dünn wie Seide war.
Während Vega und der Doc damit beschäftigt waren, Sanchez zu beruhigen, zog Jenkins andächtig einen kleinen metallischen Diskus aus der Tasche seiner Kampfhose. Die weiteren Teammitglieder erkannten das Objekt augenblicklich: Einen internen Hackerzeugnis der Einsatzleitung, eine Art schwarze Box mit kritischen Informationen zur Mission. Jeder von ihnen wusste um die Geheimnisse dieser Art von Anführergerät.
„Ich wusste, ihr hattet mehr vor als uns zu sagen“, verloren Jenkins Worte die ironische Schärfe und kehrten ins Bittere. „Unterschätzt net die Wirren, Léon. Erzählt uns sofort die Wahrheit.“
Captain Léon blickte schweigend in die Runde und nickte schließlich. „In Ordnung. Zeit für die ganze Geschichte. Die Kreatur ist nicht nur ein Testobjekt. Es ist eine von der Regierung erschaffene Singularität, ein Experiment der Realitätserweiterung, das aus dem Ruder lief. Unsere Mission war es, ihren Einfluss zu untersuchen und wenn möglich zurückzubinden.“
Die Worte hallten durch den Raum, doch Cole verstand instinktiv, dass nunmehr nichts mehr so war, wie es schien. Seine Muskeln spannten sich an. „Wir sind Schachfiguren für sie. Zur Hölle mit diesen Missionen“, brummte er, ehe ihm eine Überlegung kam. „Wir wissen jetzt mehr als je zuvor. Aber das hilft uns nicht, solange wir nicht dieses Schachspiel für uns entscheiden können.“
Ohne weiteres Zögern gab Captain Léon den Befehl zum Rückzug. Doch da war die Realität schon längst im Krieg mit ihrer Vorstellung gelangen. Jeder Schritt auf diesem immer nächtlicher wirkenden Planeten war ein Sprung in dunkle Unsicherheiten.
Die Einheit formierte sich trotz allem, ausgerüstet mit neuen Erkenntnissen, in westlicher Richtung, wo die Strahlungen des Wesens immer stärker wurden. Ob sie nun Schachfiguren oder Spieler waren, war fraglich, doch der nächste Zug gehörte ihnen. Die Wahrheit hatte sich offenbart, und es galt nun für alle, sich entweder zu retten oder in den Wahnsinn zu verbannen – mit einem Schachzug gegen den Albtraum, den sie sich kaum erträumen gewagt hatten.
Kapitel 5: Rückkehr oder Untergang
Der laute Knall des Aufpralls hallte über die Ebene, als der letzte Überlebende der Einheit, Captain Elena Torres, auf die schattige Lichtung trat. Der Boden glich einem Spiegelkabinett aus Zerrbildern, einer Mischung aus realer und unwirklicher Landschaft. Jeder Schritt fühlte sich an, als ob sie durch Honig stapfen würde, zäh und bedrückend. Die Luft vibrierte vor Spannung, und sie wusste, dass das Wesen, diese groteske Manifestation aus den Tiefen ihres Alptraums, nicht weit entfernt war.
Das Team, ihre Kameraden, waren jetzt entweder tot oder in irgendeiner Form des Wahnsinns an diesen Ort gebunden. Daniels, der talentierte Drohnenspezialist, war dem Wahnsinn erlegen und sah sich jetzt selbst als einen Überwacher einer kosmischen Realitätsshow. Miller, der stoische Anführer, lag irgendwo in den Schatten, sein Verstand verloren an das, was die lokale Fauna jetzt als Gottheit verehrte. Elena hatte keine Zeit, über den Verlust zu trauern. Sie musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren, um die Überbleibsel ihrer Mission zu retten und – falls möglich – das verdammte Wesen zu vernichten.
In einem verzweifelten Akt der Entschlossenheit hatte sie die letzten verbliebenen Sprengsätze, Reste einer Ausrüstung, die einst modern und präzise gewesen war, in ihrem Rucksack gepackt. Die Taktik war denkbar simpel und gleichzeitig wahnsinnig: Das Wesen mit einer finsteren Bastion aus Elektroschocks und hoher Explosivkraft zu überlisten, in der Hoffnung, dass es wenigstens für einen Moment aus dem Gleichgewicht geraten würde. Ein kurzer Augenblick der Klarheit inmitten der allumfassenden Verzerrung könnte reichen, um es zu vernichten oder zumindest zu verletzen.
Als sie weiter durch das Labyrinth aus gespiegelten Welten schritt, begann die Umwelt um sie herum zu flackern. Jeder Schatten, jede Bewegung im Augenwinkel war ein potenzieller Feind. Der Humor war sarkastisch: Wenn die Welt um sie herum keine Realität mehr kannte, war es dann nicht nur konsequent, dass nichts mehr sicher war? Die Halluzinationen hatten die Formen ihrer Teammitglieder angenommen, ihre Stimmen flüsterten anklagend, gefolgt von einem makabren Lachen – der trostlosen Kakophonie eines Wahnsinns, der sich selbst ergötzte.
Ihr vorrückender Pfad führte sie schließlich zu einer Lichtung, die seltsam real wirkte. In der Mitte pulsierte ein Kreaturenkörper aus purem Licht und Schatten, wie ein Glühwürmchen, das in Reaktorglut gebadet war. Mit einem letzten Anker der Rationalität erinnerte sich Elena an die Worte eines ihrer Ausbilder: „Wenn du je gegen einen Gott kämpfst, nimm mindestens eine Sprengladung mit.“ Vielleicht war es nicht genauso gesagt worden, aber der Punkt war klar.
Mit einer Mischung aus Wut und Hoffnung rannte Elena auf das Zentrum der Lichtung zu. Sie schleuderte die Sprengsätze in die offene Schlucht und blickte nicht zurück. In einem Augenblick purer Ekstase explodierte das Inferno, und einen kurzen Moment lang schien die Realität zu flackern, ein Vorhang aus Licht, der fiebrig über die zusammenbrechende Szenerie tanzte.
Als der Staub sich setzte, lag das Wesen verwundet in der Mitte des Kraters. Seine Form war weniger stabil, träge in seiner Manifestation. Elena spürte einen tiefen Schmerz, als hätte sie in das Herz des Universums gestochen. Doch es war noch nicht vorbei. Die Frage war nun, welchen Tod sie wählen sollte: durch die Hand eines besiegten, aber immer noch gefährlichen Wesens oder durch die Gnade ihrer eigenen Sterblichkeit.
Elena entschied sich für die Ehre eines Kriegers und ging auf das Wesen zu. Ihre Waffe war leer, ihre Kräfte fast erschöpft. Doch sie wusste, dass selbst ein auferstandener Eindringling der Realität die unzähmbare Entschlossenheit eines Menschen nicht unterdrücken konnte. Es war schließlich nicht die Stärke der Waffe, sondern die Stärke des Herzens, die über das Leben und den Tod entschied.
Zurück zur Erde zu kehren, war eine Möglichkeit, aber jetzt wusste sie, dass jeder, der dort auf sie wartete, Teil einer Welt war, die nicht mehr die ihre war. Würde sie zurückkehren können, ohne ein Teil ihrer selbst zu verlieren? Oder war sie verdammt, auf diese oder jene Weise, stets zwischen den Welten zu wandern?
Als sie die letzten Schritte machte, bevor die kalte Dunkelheit heranbrach, lächelte sie: Dieses letzte Stück Sarkasmus, das sie in die Schatten mitnahm, war der beste Begleiter, den sie auf dieser surreale Reise gefunden hatte. Sie trat tapfer in die Tiefen. Ob sie triumphierte oder fiel, würde die Realität überlassen bleiben.
Und ob die Realität jemals wirklich ist, oder ob sie je wieder vollständig sein kann – das bleibt das Geheimnis von Alpha-Novum.
Die Sternenchroniken – Spannende Science Fiction Abenteuer
Als Taschenbuch und Ebook