Der rote Nebel
Kapitel 1: Das Geheimnis des roten Nebels
Dr. Lena Hartmann blickte gedankenverloren aus dem Panoramafenster der Raumstation Helios, während sie einen dampfenden Becher Kaffee in den Händen hielt. Die Unendlichkeit des Weltraums lag vor ihr, schier endlos und doch so voller Geheimnisse. Ihre Gedanken jedoch kreisten einzig um den roten Nebel, jenen mysteriösen Schleier, der in den letzten Monaten ganze Raumflotten verschluckt hatte. Die Berichte über verschwundene Schiffe, von denen nie wieder ein Lebenszeichen empfangen wurde, waren gleichermaßen faszinierend wie beängstigend.
„Lena, du träumst wieder“, klang die Stimme von Captain Elias Voss, die sie aus ihren Gedanken riss. Der großgewachsene, rotblonde Pilot mit dem unverwüstlichen Grinsen war der Leiter der Expedition, die das Unmögliche wagen würde: den Eintritt in den unheimlichen Nebel.
„Träumen gehört zu meinem Job. Und in deinem Fall bin ich der Meinung, dass du gelegentlich auch mal träumen solltest“, konterte Lena mit einem Augenzwinkern, beinahe lässig. Sie wusste, dass Elias’ scheinbar sorglose Art ihm half, den Mut aufzubringen, gefährliche Missionen anzutreten.
„Prächtiger Plan, direkt nach der Mission“, entgegnete Elias in jener Art, die ihn stets bedenklich nah an der Grenze zwischen Übermut und Verantwortungslosigkeit balancieren ließ. Sie sah ihm nach, wie er den Raum verließ, und erinnerte sich an die erste Konfrontation mit den unheimlichen Berichten. Der rote Nebel, ein Phänomen jenseits aller wissenschaftlichen Modelle, hatte sie sofort in seinen Bann gezogen.
Später am Tag versammelte sich das gesamte Team im Hauptdeck der Station. Neben Lena und Elias bestand die Crew aus Wissenschaftlern, Ingenieuren und Soldaten, jede und jeder von ihnen Experten auf ihrem Gebiet. Lena nahm die forschenden Augenpaare in sich auf und spürte den Ernst der Lage. Ein leises Murmeln erfüllte den Raum, das sich legte, als Lena das Wort erhob.
„Liebe Kollegen. Wir stehen vor einem einzigartigen Ereignis, einer Herausforderung, die unser Wissen und unseren Mut auf die Probe stellen wird. Der rote Nebel hat bereits viele Schiffe und deren Besatzungen verschlungen. Unzählige Theorien kursieren, von extraterrestrischen Technologien bis zu natürlichen Anomalien. Doch keiner hat es gewagt, den Nebel zu betreten, geschweige denn ihn zu erforschen.“
Elias trat nach vorne und fuhr fort: „Wir haben uns entschieden, Pionierarbeit zu leisten. Genau diese Herausforderung ist es, die uns motiviert. Deshalb werden wir mit unserer neuen Forschungseinheit, der ‘Aurora’, den Nebel durchfliegen und eine sichere Rückkehr gewährleisten.“
Der Raum füllte sich mit einem erwartungsvollen Raunen, doch Elias’ Entschluss stand fest. Lena konnte die Mischung aus Nervosität und Aufregung in seinen Worten erkennen. Der rote Nebel war nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine psychologische Herausforderung. Würde die Crew zusammenhalten, würde sie das Geheimnis lüften oder auf unüberwindbare Hindernisse stoßen?
Langsam ging die Sitzung in die Endphase über. Das Team diskutierte über Pläne und Strategien, über mögliche Szenarien und Vorkehrungen. Jedes Mitglied war sich der Gefahren bewusst, doch sie alle verband der unwiderstehliche Drang zur Entdeckung. Lena selbst fühlte sich wie ein Kind vor dem größten Abenteuer seines Lebens.
Im privaten Gespräch nach der Besprechung erklärte Elias Lena, dass die Flottenkommandantin ihre Zweifel angemeldet hatte. „Das Risiko ist hoch, und die Überlebenschancen sind gering. Aber genau deshalb sind wir hier, um die Grenzen des Bekannten zu überschreiten“, sagte er mit einem Nachdruck in der Stimme, der keinen Widerspruch duldete.
Lena nickte, ihre Entschlossenheit stand fest. Sie ließ sich von den Bedenken nicht abschrecken. Stattdessen sah sie die Möglichkeit, mit der Lösung des Mysteriums des roten Nebels Geschichte zu schreiben. Ihr Forscherdrang war geweckt.
Am Ende des Tages war alles vorbereitet, und das Team bereitete sich körperlich und mental auf die bevorstehende Mission vor. Viele verbrachten die Nacht damit, Rücksicht auf ihre persönlichen Ängste und Erwartungen zu nehmen. Lena legte sich mit einem merkwürdigen Gefühl der Vorfreude schlafen. Morgen war der große Tag.
Der Eintritt in den roten Nebel würde zweifelsohne der Beginn einer Reise voller Ungewissheit sein. Doch wenn es eine Sache gab, die sich Lena ins Gedächtnis brannte, dann war es der betörende Reiz des Unbekannten. Ein Reiz, der ihr Herz schneller schlagen ließ. Das Geheimnis des roten Nebels musste enthüllt werden, koste es, was es wolle. Und Lena war bereit, sich der Herausforderung zu stellen.
Kapitel 2: Der Eintritt in den Nebel
Die Umgebung im Hangardeck der Ignis pulsierte vor hektischer Aktivität. Techniker hasteten zwischen den Raumanzügen und den Cockpits der Erkundungsraumschiffe hin und her, während die Mitglieder des Forscherteams letzte Vorbereitungen trafen. Dr. Lena Hartmann stand mit einem kritischen Blick an einem der Steuerpulte, ihre Finger glitten über die holografischen Anzeigen, während sie letzte Anpassungen vornahm.
“Die Schilde müssen bei Eintritt in den Nebel verstärkt werden”, verkündete sie mit merkwürdig beruhigender Autorität, die sich durch das Chaos zog wie ein klingender Ton in einem gefüllten Raum. Captain Elias Voss hob eine Augenbraue und schielte skeptisch zu ihr herüber. “Das ist nur ein Laune der Technik, nicht wahr, Doktor?”, fragte er mit einem halbherzigen Grinsen.
“Wenn Sie davon überzeugt sind, dass dies alles ein kosmischer Wunschbrunnen ist, Captain”, schmunzelte Lena trocken zurück, “dann hoffe ich, dass Sie einen besonders gut durchdachten Wunsch in der Tasche haben.”
Die Vorbereitung auf den Eintritt in den roten Nebel war eine Mischung aus Hochspannung und routiniertem Wahnsinn. Jeder Handgriff, jede Justierung an den Kontrollsystemen und jede kalibrierte Überprüfung der Lebenssystems war unerlässlich, doch die Taktung war so minutiös wie der Rhythmus eines getriebenen Metronoms.
Währenddessen ermattete das Team jedoch nicht nur an seinen Maschinen. Persönliche Spannungen begannen sich durch die Ritzen der Professionalität zu schleichen. Dario, der Astrophysiker, warf Karen, der Kommunikationsspezialistin, einen abfälligen Blick zu, als sie zum hundertsten Mal die Kanäle prüfte. “Glaubst du, die Aliens führen gerne Rosenkriege, oder warum machst du so ein Theater?”, stichelte er.
“Wenn du die Sendeanlagen so gut managen könntest wie deine spitze Zunge, wären wir längst im Primetime-Universum berühmt”, konterte Karen unbeeindruckt und drehte ihm den Rücken zu. Lena, die das alles beobachtete, verdrehte die Augen. Die wissenschaftliche Brillanz jedes Einzelnen war unbestritten, doch Teamarbeit könnte genauso gut ein Mythos aus einer fernen Erzählung sein.
Schließlich erklang die Stimme des Captains schneidend klar im Kommunikationssystem: “Alle an Deck. Wir brechen auf.” Eine Welle der Entschlossenheit schwappte über die Crew, silbrig glänzende Helme wurden aufgesetzt, und das Summen der abhebenden Landeeinheit vibrierte durch ihre Körper.
Der Augenblick des Eintritts in den roten Nebel begann mit einem plötzlichen Schweigen inmitten des Maschinenrauschens – etwa so, als ob das Universum die Luft anhielt. Die Unendlichkeit der Sterne, so vertraut und greifbar durch die transparenten Sichtfenster, wurde jählings von einem amorphen Umbra abgelöst. Der Nebel umschloss das Schiff, und die Außenansichten ertranken in einem tiefen, pulsierenden Rot.
“Ähm, ist das normal?”, murmelte Dario, als die Instrumente begannen, Linien chaotischer Datenströme auszuspucken. Lichtpunkte tanzten über die Bildschirme, eine chaotische Sinfonie aus Wellenmustern und mysteriöser Ordnungslosigkeit.
Wenige Minuten im dichten Rot des Nebels und die ersten außergewöhnlichen Erfahrungen ließen das Team selbst über ihre Nerven stolpern. Formen, die sich nicht an die bekannten Parameter der Physik hielten, glitten ringsumher wie Schatten vergessener Traumbilder. Geräusche, mal süß wie Lachen, mal tief wie Weltraumtrommeln, flüsterten durch die Kommunikationskanäle. Kuriosität mischte sich mit Vorsicht, und plötzlich fühlte sich niemand mehr sicher.
“Ich glaube, ich habe gerade einen Fisch gesehen”, sagte Karen, den Blick starr auf die Telemetrie gerichtet, die unmögliche Werte meldete. Wellenbilder eines Wesens, halb körperlich, halb flüchtige Projektion, schwebten zwischen den Datenzeilen.
“Willkommen im Aquarium des Universums”, antwortete Voss und trat näher an das Fenster, als könne er durch den verschleierten Nebel hindurch schaudern.
Lena vermerkte emotionslos: “Eine neue physikalische Grenze, die es zu überschreiten gilt. Wir müssen jedes Detail erfassen und dokumentieren; das hier könnte die fundamentalen Naturgesetze herausfordern.”
Doch das Kabel der Vernunft begann sich zu dehnen: Das Kribbeln des Geheimnisses, die mystische Anziehung des Unerreichbaren, fraß allmählich die Säulen aus Logik und Struktur auf, auf denen das Team ihre Mission gebaut hatte. Der rote Nebel testete mehr als nur ihre Technologien; er war dabei, den Kern ihrer rationalen Weltanschauung selbst zu unterwandern. Und dies war erst der Beginn ihrer Reise in das unvorstellbare Phänomen, das sie alle erwartet hatte.
Kapitel 3: Das unbekannte Phänomen
Im Inneren des roten Nebels schien die Realität selbst zu erodieren. Dr. Lena Hartmann, die sich stets auf Logik und Wissenschaft verlassen hatte, erlebte nun Phänomene, die selbst den kühnsten Vorstellungen Hohn sprachen. Die nebelverhangene Schwärze, die die Raumflotte verschluckt hatte, wandte sich nun gegen das Forscherteam. Es war, als ob der Nebel ein eigenes Bewusstsein besaß und die Eindringlinge erkannte.
Elias Voss, der erfahrene Captain der Mission, versuchte, trotz der seltsamen Vorgänge einen klaren Kopf zu bewahren. „Team, bleibt fokussiert und dokumentiert alles!“ rief er mit Nachdruck durch das Kommunikationssystem. Doch auch sein sonst so fester Blick begann zu flackern, als ihm eine fast surreale Szenerie vor Augen erschien: Vor ihm entfaltete sich ein schimmerndes Geflecht aus fließenden und sich wandelnden Farben, die ein unwirkliches Ballett der Sinne aufführten.
Währenddessen kämpfte der Techniker Jakob Nowak damit, die schnellen Pulsschläge seines Herzens zu beruhigen. „Ist das hier real oder hat jemand heimlich psychedelische Substanzen in meinen Tee gemischt?“ murmelte er nervös, als er glaubte, in einer der Nebelschwaden schattenhafte Gestalten zu erblicken. Diese Erscheinungen schienen sich zu bewegen, viel zu schnell, um etwas anderes als Illusionen zu sein.
Dr. Hartmann untersuchte während dessen den Sensorfeed. „Was zur Hölle…“ begann sie, bevor ihre Stimme im Nichts verhallte. Die Instrumente, die präzise Daten liefern sollten, gaben nun nur kryptische Signale von sich – Muster, die sie weder lesen noch verstehen konnte. Sie wandte sich an die Biologin Mia Dupont, um zu besprechen, was sie sah. Doch Mia selbst starrte auf ein Phänomen, das sie einfach nicht begreifen konnte. Eine fremdartige Lebensform schwebte vor ihrem Laborfenster.
Die Kreatur war etwas, das keiner von ihnen je gesehen hatte. Ihr Körper war durchsichtig und schimmernd, als ob sie aus purem Licht bestünde. Sie bewegte sich nicht wie ein Geschöpf aus Fleisch und Knochen, sondern wie eine lebendige Welle, die das Raum-Zeit-Kontinuum zu manipulieren schien. Dabei gesellte sich eine Aura von ätzender Schönheit zu der Existenz der Lebensform. Mia fragte sich, ob diese Geschöpfe der Schlüssel zum Rätsel des Nebels sein könnten. Aber wie sollte das Team mit dem Unverständlichen umgehen?
Während das Team versuchte, Sinn in die Sinnesflut zu bringen, die der Nebel ihnen auf erzwang, nahm der Druck auf die zwischenmenschlichen Beziehungen zu. Zweifel und Misstrauen sickerten in den Verstand ein, wie der Nebel selbst in das Raumschiff kroch. „Sind wir noch wir selbst?“ fragte Jakob, mehr zu sich selbst als zu jemand anderem im Team. Doch diese Worte hallten nach und trafen die unentweihten Gedanken seiner Kameraden.
Captain Voss bemerkte die wachsenden Spannungen, die zu zerreißen drohten und wusste, dass Zweifel in einer solchen Situation gefährlich waren. „Es spielt keine Rolle, was wir glauben zu sehen oder zu verstehen“, argumentierte er mit einem scharfen Unterton, „wir müssen an die Mission glauben und aneinander!“
Die Teammitglieder begegneten diesen Worten mit skeptischen Blicken, während ihre Köpfe chaotisch wirbelten. Feine Risse im Zusammenhalt des Teams begannen sichtbar zu werden. Doch Voss’ Plädoyer erzeugte zumindest eine fragile Bindung zwischen ihnen, einen schmalen Grat aus Hoffnung.
Unterdessen beobachtete Lena eine Transformation der Umgebung durch den Nebel, und eine unerklärliche Anziehung begann, die Technik an Bord zu beeinflussen. Uhren liefen rückwärts, Schwerkraft schien an Bedeutung zu verlieren, während Geräusche sich in Wind flüsternde Geheimnisse verwandelten. Halluzinationen abwechselnd mit schroffen Realitäten schufen ein wechselndes Kaleidoskop aus Eindrücken, die das Team zu überwältigen drohten.
Sie stand auf, um zu sehen, was mit Mimi, der Navigatorin, war, die normalerweise eine Säule der Ruhe darstellte. Doch als sie Mimi fand, war diese in eine Ecke gedrängt, ihre Augen auf etwas fixiert, das nur sie zu sehen schien. Ein leiser Wahnsinn kroch über ihr Gesicht. Lenas Stimme wurde sanfter, als sie an ihre Kollegin herantrat: „Mimi, kannst du mich hören? Wir brauchen dich.“ Die Worte waren eine Mischung aus stoischer Entschlossenheit und zarter Fürsorge.
Inmitten all dieses Chaos erhob sich dennoch die Frage: Was war der rote Nebel wirklich? Eine Waffe, ein Wesen, ein Konstrukt jenseits ihres Verstandes? Oder schlichtweg eine unerforschte Facette des Universums?
Egal, was die Wahrheit war, die Forscher und Entdecker in ihnen verlangten nach Antworten, selbst wenn menschliche Erfahrung allein nicht mehr ausreichte, um sie zu erfassen. Trotz der zunehmenden Ungewissheit und des wachsenden Misstrauens im Team begann sich ein leiser, aber hartnäckiger Schleier der Entschlossenheit über sie alle zu legen.
Die Brücke in ein Reich jenseits ihrer Vorstellungskraft war betreten worden, und von diesem Punkt an gab es kein Zurück mehr.
Kapitel 4: Das Rätsel des Nebels
Dr. Lena Hartmann stand mit zerzausten Haaren in der Mitte des Labors und betrachtete die holografische Darstellung der im Nebel entdeckten Lebensformen. Ihre Augäpfel zuckten hin und her, als sie versuchte, die unzusammenhängenden Datenströme zu einem verständlichen Gesamtbild zusammenzuführen. Es war, als würde sie versuchen, ein Puzzle zu lösen, dessen Teile immer wieder in die Luft gesprengt wurden. Unweit von ihr, in einem Meer aus scherzhaft chaotischem Werkzeug und Kabeln, brütete Captain Elias Voss über den Scans der Umgebung.
„Was auch immer dieser Nebel ist“, begann Lena, ohne den Blick vom Display abzuwenden, „es scheint, als hätte er eine gewisse Intelligenz. Diese Lebensformen könnten der Schlüssel dazu sein.“
Elias schnaufte und zog die Augenbrauen hoch. „Ob Intelligenz oder Laune der Natur, sie bringen uns um den Verstand. Aber ich schätze, das gehört zu unserem Job, oder?“
Lena konnte nicht anders, als zu lachen. „Wenn ich nach Spaß und Nervenkitzel gesucht hätte, wäre ich Zirkusartistin geworden, Elias. Doch der Nebel hat etwas… Absurd-Erhabenes. Denk nur an die Mythen.“
Sie wandte sich zu ihm um und winkte mit einer alten Datenkonsole, die sie aus der Kiste auf ihrem Schreibtisch gezogen hatte. „Die antiken Berichte von verschwundenen Schiffen, die Geschichten von unsterblichen Geistern und wandelnden Sternen. Diese Legenden ranken sich seit Jahrhunderten um den Nebel. Vielleicht hat all das einen wahren Kern?“
Elias lehnte sich in seinen Stuhl zurück und legte die Füße auf den Tisch. „Legenden oder nicht, Lena. Wenn wir die Verbindung finden wollen, sollten wir uns beeilen. Die Sensoren zeigen eine Zunahme instabiler Aktivität. Es ist, als ob der Nebel uns nicht mehr rauslassen will.“
Während Lena und Elias debattierten, hatte Dr. Yara Kim, das jüngste Mitglied des Teams und ein Computergenie, die Aufgabe übernommen, die mathematischen Unstimmigkeiten in den Verhaltensmustern der Lebensformen zu analysieren. Plötzlich hielt sie inne und rief: „Ich glaube, ich habe etwas!“
Alle im Raum erstarrten und richteten ihre Aufmerksamkeit auf sie. Aufgeregt begann sie, die Daten auf dem Hauptbildschirm an der Wand zu projizieren.
„Schaut euch das an. Diese Lebensform integriert Materie vom ganzen Schiff und scheint eine Art neuronales Netzwerk zu realisieren. Möglicherweise beeinflusst oder verstärkt es die Struktur des Nebels selbst. Es ist, als ob der Nebel lebt und wir nur seine Nervenenden kitzeln!“
In der nächsten halben Stunde überschlugen sich die Theorien. Als die Diskussion einen vorläufigen Höhepunkt erreichte, begann das Schiff plötzlich zu vibrieren. Warnleuchten blinkten auf, und das vertraute dröhnende Geräusch einer Alarmsirene erfüllte den Raum.
Captain Voss sprang sofort aus seinem Stuhl. „Automatische Schilde aktivieren, sofort! Yara, Statusbericht!“
Yara starrte entsetzt auf ihren Bildschirm, über den eine Welle an Warnmeldungen flutete. „Es scheint, als wären wir in einem Menge wirbelnder Energiefelder gefangen. Die Struktur des Nebels verändert sich schneller als alle unsere Rechenmodelle vorhergesagt haben!“
In diesem Moment realisierte Lena, dass die Geschichten über den roten Nebel nicht nur Märchen waren. Die Wissenschaft und Geschichte hatten sie gleichsam am Schlafittchen gepackt und führten ihr das große Mysterium eines kosmischen Wesens vor Augen. Der Nebel war nicht nur eine Anomalie, er war eine Laune der Evolution in astronomischen Dimensionen.
„Lena! Wir brauchen sofort eine Lösung, sonst war’s das mit der Lektion!“, rief Elias und versuchte, über Yaras Schulter nützliche Datenfragmente zu erkennen.
„Wenn wir die Muster der Lebensformen verstehen, könnten wir versuchen, den Nebel zu kalibrieren, anstatt nur passiv durchzudrehen“, murmelte Lena mehr zu sich selbst als zu den anderen. Dann hob sie entschlossen den Kopf. „Yara, ich brauche die Frequenzdaten des biologischen Netzwerks. Elias, lenk die Energie um auf den Laser-Artikulator, wir könnten die Umgebung modulieren. Wir erschaffen unser eigenes Fenster in diesem Inferno.“
Die nächsten Minuten waren ein chaotischer Rausch aus Zahlen, Codes und Hoffnungen. Die Zeit drängte, während das Team mit Hochdruck an der Modifikation ihrer Hilfsmittel arbeitete. Durch Lenas Idee, die Lebensformen zu nutzen, um das Schwingungsverhalten des Nebels neu zu justieren, erhielten sie eine Chance, sich dem roten Nebel zu stellen.
Mit einem letzten energischen Klick der Eingabetaste startete Yara den modifizierten Impuls. Das Schiff erbebte, das Summen von Maschinen wurde vom unheimlichen Heulen des Nebels übertönt. Ein Lichtbogen blitzte über die Displays.
„Kommt schon… ein kleines Wunder mehr!“, flüsterte Elias, während alle den Atem anhielten.
Das Schiff ruckelte einmal, dann plötzlich ein zweites Mal, und dann spürten sie eine stetige Stabilisierung. Die Umgebung klärte sich, und der Nebel schien wieder überschaubarer, greifbarer. Jubelrufe brachen aus, als das Team erkannte, dass sie es geschafft hatten, zumindest vorerst.
Doch das größere Rätsel des roten Nebels wartete noch darauf, endgültig entschlüsselt zu werden.
Kapitel 5: Der Ausweg oder das Ende?
Ein beklemmendes Schweigen lag über der Brücke des Forschungsschiffes Prometheus. Jeder von uns spürte das Gewicht der Entscheidung, die vor uns lag. Sollten wir versuchen, aus dem roten Nebel zu entkommen, oder uns tiefer in seine Geheimnisse stürzen? Dr. Lena Hartmann, unsere entschlossene Astrophysikerin, machte den ersten Schritt, indem sie das Unvermeidliche aussprach.
„Wir stehen an einem Scheideweg“, begann sie, ihre Stimme fest, aber ungekünstelt, „entweder wir fliehen und berichten der Welt von diesem Albtraum, oder wir gehen weiter und riskieren alles.“
„Und bei ‚alles‘ meine ich uns selbst“, fügte Captain Elias Voss mit einem sarkastischen Lächeln hinzu, „manchmal fühlt es sich an, als hätte der Nebel einen eigenen Willen.“
Der Rest des Teams nickte, einige mit finsterer Miene, andere mit der fiebrigen Aufregung, die leidenschaftliche Forscher in solch existenziellen Momenten packt. Ein dünner Hauch von Wahnsinn lag in der Luft, genährt von der surrealen Landschaft aus wirbelnden, karminroten Wolken, die unser Schiff umgaben.
Bevor jemand antworten konnte, zuckte das Licht der Instrumententafeln aufflammend auf. Ein Platzen, gefolgt von einem Blitz und einem dröhnenden Rauschen, brachte unsere Aufmerksamkeit zurück zum Bildschirm. Eine unfassbare Darstellung spielte sich vor uns ab: immaterielle Kreaturen, verschmelzend und pulsierend in synchroner Harmonie.
„Die Quelle des Nebels“, schlussfolgerte Lena mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Entsetzen, „sie ist lebendig!“
Das Gebilde war unwirklich, als hätte es sich aus den unergründlichen Tiefen des kollektiven Unterbewusstseins der Menschen hervorgetan. Es war schön, hypnotisch und zugleich furchteinflößend. Das Team stand gebannt da, fasziniert von der atemberaubenden Darbietung. Etwas in seinem Zentrum leuchtete auf, ein Kern unvorstellbarer Energie, der das Potenzial besaß, ganze Welten zu vernichten oder sie neu zu erschaffen.
„Wir müssen mit ihm kommunizieren“, drängte Lena, überwältigt von ihrem wissenschaftlichen Eifer.
„Kommunizieren? Mit einer Wolke aus leuchtendem Todeshauch?“ erwiderte Voss skeptisch, sein Humor eine dünne Maske für die aufbrandende Panik.
Doch etwas in den Augen von Dr. Hartmann ließ keinen Raum für Einwände. Sie hatte den Funken einer Eingebung, einer Möglichkeit, die vielleicht die Rettung oder das Ende bedeutete.
Sie verschwand in der Kommandozentrale, hinterließ eine Spur aus Eifer und Elektronengeflüster. Der Bildschirm füllte sich mit Formeln, als sie begann, mit allen Systemen im Schiff eine Art binäre Nachricht zu konstruieren. Eine uralte kosmische Mathematik, ein Lied, das durch den Weltraum sang wie ein Echo der Geburt des Universums selbst.
„Es ist Wahnsinn. Sie wird uns alle umbringen“, murmelte Voss, von einem Funken Zweifeln geplagt, der sich durch die stählerne Entschlossenheit seiner Schultern zog.
Die Minuten zogen sich lang, jede gespannt wie ein Drahtseil. Dann, wie durch einen letzten Atemzug der Geschichte, begann sich der rote Nebel um uns zu verändern. Die pulsierenden Kreaturen drehten sich, formierten sich neu zu einer Antwort auf Lenas mathematisches Lied. Ein Lichtstrahl, so hell, dass es durch die Deflektorschilde drang, beraubte uns der Sicht.
Als sich der gleißende Strahl löste, wurden wir mit einer tiefen Ruhe und Harmonie erfüllt. Die Kreaturen begannen langsamer zu pulsieren und sich schließlich in friedvolle Dunkelheit aufzulösen. Ein Gefühl der Dankbarkeit, oder womöglich Anerkennung, erfüllte den Raum, während der Nebel um uns verblasste, seine Formigkeit preisgab und allmählich verschwand.
Jubel brach auf, eine Mischung aus Erleichterung und Trauer. Wir hatten überlebt, sahen das Unvorstellbare, lösten vielleicht ein Rätsel, ohne es je ganz verstanden zu haben. Der Weg zur Erde lag vor uns, doch die Erinnerungen an den Nebel und das kosmische Wunder, das wir erlebt hatten, würden uns für immer begleiten.
Captain Voss, so pragmatisch wie eh und je, schenkte uns ein widerstandsloses Grinsen. „Ich hoffe, ihr habt eure Notizen gemacht. Schließlich können wir die Geschichte selbst erzählen, und wie immer gilt: am Ende kommt es auf die Pointe an.“
Während die Prometheus, erschöpft, aber intakt, den Kurs zurück zur menschlichen Zivilisation aufnahm, überkam uns alle die Erkenntnis, dass das tiefere Geheimnis des roten Nebels niemals gelüftet werden sollte. Es war ein Geheimnis, das für uns und die Sterne geschaffen war. Zurückbleiben sollten die Legenden, denen wir entstiegen sind, während wir uns gegenseitig für immer von neuen Abenteuern erzählten.