Zeitbruch
Kapitel 1: Der erste Riss
In der stillen, verborgenen Ecke eines hochmodernen Forschungslabors, verborgen vor den Augen der Welt, begann ein Experiment, das die Grenzen von Raum und Zeit neu definieren sollte. Dr. Lena Fischer, eine brillante Physikerin mit einer Vorliebe für das Unorthodoxe, trat in den pulsierenden Lichtkreis des Labors. Ihr Blick streifte über die Apparaturen, die wie Glocken in Kuppeln auf dem metallischen Boden standen und zaghaft summten. Die Spannung im Raum war greifbar, als ob die Elektrizität in der Luft förmlich knistern würde.
Neben ihr stand Dr. Max Keller, ein etwas kauziger, aber unglaublich versierter Mathematiker, dessen Leidenschaft für Zahlen nur von seiner Liebe zum Baseball übertroffen wurde. Währenddessen beugte sich Dr. Tanja Schmitt, die Neuroforscherin des Teams und eine Meisterin der Probleme mit einem leisen Lächeln zu lösen, über ein Kontrollpanel und führte letzte Berechnungen durch.
“Also, das Ziel ist einfach”, meinte Lena, während sie einen Blick auf die digitalen Anzeigen warf. “Wir werden versuchen, einen kontrollierten Zeitriss zu erzeugen und seine Interaktionen mit der Raumzeit erst einmal beobachten. Einfach, oder?”
“Einfach”, erwiderte Max trocken, während er sich über seinen Laptop beugte. “Ein Spaziergang im Park… mit einem T-Rex an der Leine.”
Tanja stieß ein leises Lachen aus und verschob ein paar Hebel. “Wenn ein T-Rex je mit Zahlen jongliert, stehst du ganz oben auf meiner Liste, Max.”
Lenas Finger flogen über die Tasten, ihre Gedanken in perfekter Symbiose mit der Technologie. Die Anzeigen flammten auf. “Bereit?”, fragte sie und sah zu ihren Kollegen hinüber.
Mit einem Nicken und tiefer Konzentration, begannen sie die Sequenz. Das Summen der Maschinen erhob sich zu einem Crescendo. Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten, als das flimmernde Licht eine merkwürdige Illusion von Kreiseln und Spiralen an die Wände malte. Für einen fragilen Atemzug schien die Welt still zu stehen.
Dann gab es ein scharfes Knistern, gefolgt von einer Welle unsichtbarer Energie, die durch den Raum pflügte. Die Monitore flackerten und zeigten eine unergründliche Mischung aus Zahlen und Grafiken.
Aus dem blinkenden Chaos tönte Lenas Stimme, jetzt leicht angespannt: “Wir haben es geschafft, aber… seht euch diese Werte an.”
Max starrte angestrengt auf den Bildschirm, seine Augen weiteten sich verdächtig. “Das ist nicht nur ein Riss”, sagte er, als ob er seine Stirn runzeln könnte, um die Mathematik zu verstehen. “Es sieht so aus, als ob wir mit Parallelrealitäten flirten.”
“In einer Woche mehr Dates als ich das ganze letzte Jahr hatten”, warf Tanja mit einem ironischen Hauch ein, schaute aber besorgt auf die Anzeigen. “Wir müssen die Auswirkungen sofort modellieren.”
Wellen von Unsicherheit und Aufregung fluteten durch das Labor, während sich die Forscher in den unbekannten Sumpf der multiplen Dimensionen wagten. Die Entdeckung eines echten Zeitrisses und die Aussicht auf alternative Realitäten waren sowohl eine Verheißung als auch eine Bedrohung. Wenn die wissenschaftliche Gemeinde einen flüchtigen Blick in diese Entdeckungen erhaschen könnte, wären Nobelpreise noch das Mindeste. Doch die Konsequenzen einer solchen Kollision von Realitäten waren unvorhersehbar und erschreckend.
In den kommenden Tagen führte das Team eine Reihe von Tests durch, die ebenso komplex wie faszinierend waren. Jeder Versuch, die Grenzen dieser neuen Dimension zu testen, brachte eine Flut von Informationen und noch mehr Fragen, insbesondere über die Natur der Zeit und der Realität selbst. Eines war sicher: Das Universum war nicht so statisch, wie es schien.
Der erste Riss in der Zeit hatte seine Spuren hinterlassen und ein Universum voller Anomalien geboren. Lena, Max und Tanja standen am Rande einer Entdeckung, die alles verändern konnte, was die Menschheit je über das Gefüge der Natur geglaubt hatte. Während sie noch im Dunkeln tappten, ahnten sie, dass sie schnell Antworten finden mussten, um eine potenziell verheerende Kollision von Realitäten zu verhindern.
Die Wissenschaftler waren nicht nur Entdecker am Rande des Unbekannten, sondern auch Hüter dessen, was zu einer universellen Bedrohung werden könnte. Ihre Reise hatte gerade erst begonnen, und der zarte Balanceakt zwischen Neugier und Verantwortung zog sich wie ein Spannungsfaden durch ihre Seelen. Die Abenteuer der Zeit und das Wirrwarr der Realitäten begrüßten sie mit offenen Armen und verschlossener Geheimnis.
Kapitel 2: Die Entdeckung der Alternativwelten
Der metallene Raum summte leise, während das Wissenschaftler-Team um Dr. Lena Fischer das nächste Experiment vorbereitete. Die Spannung war spürbar, jede Bewegung sorgfältig berechnet. Es fühlte sich an, als ob die Welt selbst den Atem anhielt.
„Alles bereit?“, fragte Dr. Max Keller, ein Mann mit dem Auftreten eines Untercover-Superhelden, obwohl er das Spektakel der Wissenschaft dem flatterhaften Dröhnen der Alltagsnormen vorzog.
„Bereit, so weit es die Mathematik zulässt“, murmelte Dr. Tanja Schmitt, ihre Stimme getränkt von einer Melange aus Ironie und Vorfreude. Ihre Hände huschten über das Bedienfeld, während ihr scharfes Augen auch die kleinsten Abweichungen in den Daten bemerkten.
Sie aktivierten die Maschinen und sofort begann der Raum zu vibrieren, als das schiere Energiefeld die Luft zum Flimmern brachte. Ein blitzender Riss öffnete sich vor ihnen, schillernde Farben in schwindenden Grenzen. Plötzlich, ohne jegliche Warnung, dehnte sich der Riss aus, verschluckte das Equipment und prüfte auf seine eigene launische Art die Fundamente der Logik.
„Ich hab’s doch gesagt, richtige Größe eines Tornados“, schimpfte Dr. Max, während der Riss sich weiter öffnete und flackernde Bilder enthüllte—Bilder von Welten, die der ihren so ähnlich und doch so unterschiedlich waren.
Ein alternativer Max, der für eine Band sang und offenbar nie einen Laborkittel getragen hatte, winkte fröhlich aus einer anderen Realität. Neben ihm stand eine alternative Lena, die entschlossen wirkte, einen Berg zu erklimmen anstatt die Untiefen der Zeit zu erforschen. Ein Dr. Tanja ohne ihre charakteristischen dicken Brillengläser doziert vor einer enormen Menschenmenge, vielleicht eine Politikerin oder Guru in ihrer Welt.
Der Anblick war faszinierend und beängstigend zugleich. Es war ein Vorhang gestürzt, hinter dem endlose Realitäten lauerten, jede bereit, durch den kritisch instabil gewordenen Riss in ihre eigene zu platzen.
„Was zur Hölle…“ begann Max, als eine tiefe, dröhnende Stimme die Luft durchschnitt: „Neugierig wie eh und je, Max!“
Der Antlitz eines älteren Max war auf einem der Portale zu sehen, seine Augen funkelten vor schelmischer Intelligenz. „Ihr dürft nicht zu weit schauen, nicht zu lange verweilen. Euer Riss hat mehr ausgelöst, als ihr euch vorstellen könnt.“
Lena war es, die die Fragen stellte: „Führen wir gleich ein gesprächsfähiges Experiment? Oder… kämpfen wir gegen den Verstand eines alternativen Ichs?“
Max, eindeutig damit beschäftigt, seine Stimme wiederzufinden, rief: „Leute, was passiert, wenn unsere Realitäten kollidieren?“
Tanja zog ihre Augenbrauen hoch. „Bestenfalls ein Knall. Im schlimmsten Fall? Wir tippen auf kosmischen Ruin.“
Plötzlich ertönte ein Alarm. Die Maschinen blinkten rot, schrille Warnsignale überall. Wirre Portale zuckten, wanderten und entblößten fahle Schatten, die sich durch den verblassenden Film aus universellem Stoff bewegten. Sie mussten handeln.
Doch Lena trat vor, ihre Miene wie ein donnerhallendes Lächeln. „Ich erkenne das Muster!“ rief sie aus und scannte eine strudelnde Dimension, „Es ist alles miteinander verbunden. Unser Riss ist nur eine Nervenbahn in diesem gigantischen Hirn von Realitäten.“
„Und was verrät uns das über unsere Situation hier?“ fragte Max, auf dem sprichwörtlichen Sprung.
Mit einem triumphierenden Glitzern in den Augen, sagte Lena: „Wir dürfen die Controller in diesem Spiel sein. Wir schließen den Riss auf eigene Initiative, aber mit einem Kniff.“ Sie hielt etwas hoch—einen Schlüssel, das Echo einer tiefen Wahrheit, entsprungen einem merklichen Wirbel des Nichts.
Die Maschinen brüllten in den letzten Zügen des Chaos. Sie fanden Stabilität durch koordinierten Eingriff—Tanja zog den Hebel, Lenas sicheres Händchen griff um den Schlüssel und Max schlug entzückt den Stopp-Knopf. Der Riss schloss sich mit einem wahnsinnigen Scharren. Und alles schwieg.
Als die Maschinen verstummten und der Raum sich beruhigte, verspürte das Team eine tiefere Erkenntnis: Jede Entscheidung könnte die Grenzen eines bekannten Existenzrahmens brechen oder heilen.
In der darauffolgenden Diskussion verhandelten sie mit der Ethik der Ungewissheit: „Sind wir schon Götter oder bloß ungeschickte Zauberer?“, fragte Tanja ironisch, während sie die zurückkehrende Normalität in sinnliche Fragmente zerlegte.
Lena kicherte und hielt den Schlüssel in der Luft. „Wir mochten unseren Riss nicht auf dem Spielfeld, also war es nur logisch, einen Haken zu setzen.“
Max nickte und lachte. „Also bleibt uns nichts, als die Realität zu managen, die wir selbst gewebt haben.“
Dann gestand Lena: „Obwohl, einen alternativen Max als Rockstar zu sehen, war schon eine echte Kuriosität.“
Lachen durchzog die zurückgekehrte Stille ihres Sicherheitsraums, ein Band neuer Entdeckungen in der schwindenden Zeit. Ein Band, das sie zusammen hielt, als Wächter und Wächterinnen jener aufbrausenden Realitäten, die noch zu Wildwassern werden könnten.
Kapitel 3: Der Wettlauf gegen die Zeit
Der Klang von Sirenen durchschnitt die Stille des Forschungszentrums wie ein Blitzschlag in einer klaren Nacht. Die sonst so sterile und geordnete Umgebung war in reinstes Chaos transformiert worden. Überall blinkten rote und blaue Lichter, tiefe Vibrationen schickten Schauer durch das Gebäude, und das Gefühl der Dringlichkeit lag schwer in der Luft.
Dr. Max Keller rannte durch die engen Korridore, seine Gedanken wirbelten wie ein wilder Sturm in seinem Kopf. „Wir müssen die Kommunikationskanäle zu den alternativen Realitäten schließen, bevor es zu spät ist!“, schrie er ins Wirrwarr, während er in der wissenschaftlichen Kommandozentrale ankam. Der Raum war ein Abbild fieberhafter Aktivität. Über die Monitore flimmerten Zahlen und Diagramme, die die Instabilität der Zeitlinien zeigten.
Dr. Lena Fischer und Dr. Tanja Schmitt arbeiteten fieberhaft an einer Lösung. „Lena, der Riss in der Realität 42-A beginnt sich mit 42-B zu überschneiden. Wir laufen Gefahr, dass die Kollision irreversible Schäden anrichtet“, warnte Tanja, ihre Stimme mit einem Hauch von Panik durchsetzt.
„Bleib ruhig, Tanja“, antwortete Lena, während sie ihre Hände über die Tastatur fliegen ließ. „Wenn wir das Quantensystem zurücksetzen können, haben wir eine Chance, die Ordnung wiederherzustellen.“
Plötzlich flogen die Türen der Kommandozentrale auf, und ein breitschultriger Mann stand im Gegenlicht. Ein selbstzufriedenes Lächeln spielte um seine Lippen, während er gelassen auf das Team zuschritt. Es war Dr. Heinrich Vollmer, ein ehemaliger Kollege des Teams, der vor Monaten aus dem Projekt ausgeschlossen worden war, nachdem seine unorthodoxen Methoden Probleme verursacht hatten.
„Vollmer! Was zum Teufel machst du hier?“ fragte Max, die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorstieß.
„Ach Max, immer noch so ernst“, antwortete Vollmer, während er sich nonchalant durch die Haare fuhr. „Ihr habt keine Ahnung, welch unglaublichen Möglichkeiten sich durch die Risse bieten! Unsere Macht über die Zeit war noch nie so groß.“
Lena schüttelte den Kopf, ihre Geduld erschöpft. „Du gefährdest uns alle! Wenn wir die Risse nicht stabilisieren—“
„Dann was, Lena? Dann bleibt nichts mehr übrig, was sich lohnt, gerettet zu werden?“ Vollmer trat näher, seine Präsenz dominierte nun den Raum. „Ihr seid unfähig, über eure moralischen Bedenken hinauszusehen! Die alternative Realität könnte unsere Rettung sein.“
Max trat einen Schritt nach vorn, seine Körperhaltung verteidigend. „Wirst du uns dieses Mal zuhören oder lieber weiterhin deinen eigenen Größenwahn nähren?“
Vollmer lachte, ein Geräusch, das im Kontrast zu der Schwere der Situation stand. „Ich habe schon zugehört, Max, und ich habe gelernt. Wenn du die Werkzeuge hast, um ein Imperium aufzubauen, warum nicht das Universum neu gestalten?“
Ein alarmierender Piepton unterbrach die aufgeladene Konfrontation. „Tanja! Was passiert?“, fragte Lena, die Augen fest auf den Bildschirm gerichtet.
„Wir verlieren die Kontrolle! Die Kollision ist in weniger als zehn Minuten unausweichlich, wenn wir nicht handeln“, stammelte Tanja, während sie verzweifelt ihre Systeme überprüfte.
Max wandte sich mit einem letzten warnenden Blick an Vollmer und eilte dann zur Arbeit. „Genug geredet. Tanja, versuch das Isotopenfeld zu stabilisieren. Lena, gib mir Zugang zum Hauptquantenprozessor. Wir brauchen einen synchronisierten Energieimpuls.“
Die Minuten verstrichen in angespannter Stille, unterbrochen nur von den klappernden Tasten der Computer und den gelegentlichen Warnungen der Monitore. Der Raum war aufgeladen von Anspannung, Entschlossenheit und dem leisen Quälen der Uhren, die unerbittlich weitertickten.
„Es… funktioniert!“, rief Tanja schließlich, ihre Augen vor Erleichterung glänzend.
„Die Zeitrisse stabilisieren sich, aber nur vorübergehend“, fügte Lena hinzu. „Wir haben vielleicht eine Stunde gewonnen.“
„Es reicht“, sagte Max, während er seine Hände vor Müdigkeit durch die Haare fuhr. „Dann nutzen wir jede Minute.“
Vollmer beobachtete schweigend, eine Mischung aus Verbitterung und Bewunderung auf seinem Gesicht, als das Team entschlossen weiterarbeitete, um das Unvermeidliche abzuwenden. Der Wettlauf gegen die kaskadierende Zerstörung begann nun wirklich, und jede Entscheidung zählte. Doch das Team wusste: Gemeinsam, selbst unter den schwersten Bedingungen, konnten sie vielleicht das Unmögliche erreichen.
Kapitel 4: Der finale Konflikt
Der unterirdische Komplex, der einst vor Leben und emsigem Treiben summte, lag nun in unheilvoller Stille. Nur das gelegentlich aufblitzende Flackern eines defekten Neonlichts und der leise, bedrohliche Summton der Zeitriss-Schnittstelle durchdrang das Dunkel. Dr. Lena Fischer trat in den Kontrollraum, ihre Nerven wie ein gespanntes Drahtseil. Ihre Gedanken tobten, kreisten um den drohenden Zusammenstoß der Realitäten und das unermüdliche Ticken der Uhr, die unaufhaltsam auf null lief.
“Wir haben keine Zeit zu verlieren, Lena. Der Riss destabilisiert die gesamte Anlage!” rief Dr. Max Keller, der hektisch zwischen den Terminals hin und her rannte. Seine Stimme überschlug sich vor Aufregung – oder war es Panik? Lena konnte es nicht mit Sicherheit sagen und entschied, es auf die Haare des Moments zu schieben.
Gleichzeitig hatten sich Dr. Tanja Schmitt und der mysteriöse Antagonist, der sich selbst nur “Der Chronomant” nannte, in einen intellektuellen Schlagabtausch verstrickt. Tanja stand wie versteinert, mit einer starren Entschlossenheit, die niemand und nichts brechen konnte. “Du spielst mit Kräften, die den Verlauf der Geschichte selbst bedrohen,” sagte sie, und ihr Ton war scharf wie ein Skalpell.
Der Chronomant lächelte nur, ein Lächeln voller arroganter Selbstgewissheit. “Die Geschichte ist ein Fluss, Tanja. Und ich bin der Fährmann. Wer sagt, dass ich sie nicht in neue Bahnen lenken kann?”
Doch Dr. Lena Fischer ließ sich nicht länger einschüchtern. Die Wahrheit war eine verborgene Macht, die nur darauf wartete, ans Licht zu kommen. “Du verstehst nicht, was du wirklich ausgelöst hast. Diese Risse sind keine Spielzeuge. Sie sind eine Gefahr für alles, was existiert!”, rief Lena, als ihre Stimme in dem chaosdurchdrungenen Raum dröhnte.
Während die beiden Frauen weiter debattierten, versuchte Max verzweifelt, irgendeine Form von Stabilität ins System zu bringen. Er hatte die letzten Stunden damit verbracht, Codes und Gleichungen zu notieren, von denen einige der größten Mathematiker der Geschichte nur träumen konnten. Doch es fühlte sich an, als versuche er, einen Donnerschlag in einer Flasche zu fangen.
Plötzlich brach ein klirrendes Geräusch den Tumult. Der Boden unter ihnen begann zu erzittern, die Luft selbst schien statisch aufgeladen zu sein. Es war, als ob die Realität selbst einatmen und die Konsequenzen ihres Handlungen spurlos verwehen wollte. Damit ein Held geboren werden kann, so wusste Lena, muss zunächst Chaos herrschen.
“Wir müssen den Ursprung dieser Risse finden”, Max schrie regelrecht, um gegen die aufkommende Panik der Umgebung anzukämpfen. “Lena, die Energiequelle! Ich glaube, sie kommt aus den alten Archivebene!”
Das war alles, was sie hören musste. Lena machte sich unverzüglich auf den Weg, während Tanja und Max zurückblieben, um den instabilen Kontrollraum im Auge zu behalten und den Chronomanten zu überwachen. Beide wussten, dass alles von ihnen abhängig war.
Lenas Schritte hallten durch die unterirdischen Gänge des Labors, wie das Echos eines unaufhaltsamen Schicksals. Die Archivebene war heiliges Terrain für Informationen aus der Vergangenheit, doch nun verbarg sie die Antwort auf die größte Bedrohung ihrer Zeit.
Als sie die letzte Tür erreichte, die ultimative Trennlinie zwischen Wissen und Gefahr, erwartete Lena der Anblick eines massiven Konzentrats aus Energie und chaotischen Bildern, die durch das Laborsystem geflutet wurden. Bilder von Welten, die es entweder nicht geben sollte oder nie gegeben hat – veränderte Szenarien, die keine Geschichte sein konnte.
Die Wahrheit war absolutes Chaos, ein destruktiver Sturm, vor dem niemand sich retten konnte. Die Daten strömten in endlosen Kaskaden auf die Bildschirme, doch Lena sah nichts als eine Wahrheit: Der Ursprung war eine alte Energiematrix, programmiert in den Anfängen, als Zeitreisen nicht mehr als ein Kinderspiel waren.
Ein Ausweg? Vielleicht. Doch es bedurfte eines gewaltigen Opfers. Eine Entscheidung, die nicht nur die Wissenschaftler, sondern Lena allein treffen musste – und sie wusste, dass es das Herz darüber zersprengen würde.
Die Verrat der Zeit, das Opfer des Geistes. Lena stellte sich der Entscheidung, als das Summen unerträglich wurde und der letzte Countdown einsetzte. Alles hing an einem seidenen Faden, eine knisternde Spannung zwischen Sein und Nichtsein. Das letzte Wort war nicht gesprochen, und die Zukunft war eine flüchtige Vision.
Der Preis, dachte sie in einem Anfall von schwarzem Humor, ist höchstens das Gewicht ganzer Welten wert. Und mit diesem Gedanken verabschiedete sie sich von allem, was je war, und entsprach der ewigen Gleichung: Tod ist nicht das Ende. Es ist die Geburt eines neuen Anfangs.
Kapitel 5: Der neue Anfang
Der Morgen nach dem finalen Konflikt brach frostig und still über das geheime Forschungslabor herein. Die Stille war trügerisch, fast als würde sie die schroffen Konturen der eben noch tobenden Parallelwelten verschlucken. Dr. Lena Fischer schlenderte durch die verlassenen Flure des Labors, ihren Fortschrittsbericht in einer Hand, während die andere gedankenlos ihre Stirn massierte.
Der Kampf gegen die Zeitrisse hatte mehr Opfer gefordert, als sie anfänglich erwartet hatten. Einerseits der Antagonist, der gefallene Wissenschaftler, dessen Namen sie nie wieder hören wollte, und andererseits sie selbst, verloren in den labyrinthischen Gedanken an das Was-wäre-wenn.
Trotz allem, als sie sich der Beobachtungsplattform näherte, spürte sie eine Mischung aus Erleichterung und Traurigkeit. Neue Realitäten hatten die alten geschlossenen Welten abgelöst. Sie zeigten verschiedene Facetten eines Neuanfangs, unberührt von den turbulenten Strömen der Parallelwelten, die so knapp daran waren, auseinanderzubrechen und alles in den Abgrund zu reißen.
Max Keller, der jetzt auf der anderen Seite der Plattform stand, winkte sie herüber. Sein Gesicht, gezeichnet von Müdigkeit und Zweifel, reflektierte die Wände des Observatoriums. „Weißt du, Lena, ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages Astronom des Multiversums werde“, scherzte er und lachte trocken, ohne die gewünschte Leichtigkeit. „Wenigstens habe ich die Erfahrung jetzt im Lebenslauf.“
Lena konnte ihm nicht helfen und lächelte ebenfalls schwach. „Aber wenigstens haben wir die Welten gerettet – also je nachdem, wie wir ‚gerettet‘ definieren.“
Sie setzten sich auf die abgenutzten Barhocker des Labors und blickten durch das schmutzige Glas hinaus in das gleißende Licht der neuen Realitäten. Es war seltsam beruhigend, mit Max hier zu sitzen, inmitten dieses Chaos der kosmischen Aufräumarbeit. Ein Neuanfang, auch wenn die zukünftigen Herausforderungen ungewiss blieben.
In der Ferne rief Dr. Tanja Schmitt um Hilfe, die sich noch immer mitten in der Reparatur ihrer Ausrüstung befand, die während des letzten Kampfes stark beschädigt worden war. Trotz aller Anstrengungen der letzten Tage strahlte Tanja eine unermüdliche Energie aus, die beinahe ansteckend war.
„Es ist verrückt“, rief sie, während sie unter einem Berg von Kabeln und Transistoren hervorkroch. „Aber wir haben es tatsächlich geschafft! Die Zeitrisse sind stabil – zumindest vorerst. Wer hätte gedacht, dass so etwas jemals möglich war?“
„Ich glaube, die Physik hätte das nie erlaubt“, gab Max mit einem Solarkalender in der Hand zurück, „aber ja, wir haben es dennoch irgendwie geschafft!“
Lena stellte ihr bisher aufgeschriebenes notizblockähnliches Gerät ab und blätterte durch ihre Aufzeichnungen. Hier ein ätzendes Bitter, dort ein bittersüßes Erinnern. Doch trotz allem lastete ein schweres Gewicht auf ihrem Herzen; ein Gewicht, das sie kaum benennen konnte. Die drohende Dunkelheit, die so knapp abgewehrt war, blieb ein vernebeltes Mahnmal über die Zerbrechlichkeit der Zeit und ihrer selbst.
Aber dann hielt sie inne. Ein unbedeutender Fund am Rande des letzten Kampfes – eine Entdeckung, die hoffentlich das Leben der Überlebenden in den parallelen Realitäten beeinflussen würde. Eine kleine, leuchtende Linie auf ihren analogen Displays, kaum so lang wie ihr Daumen, aber sie pulsierte vor Schöpferkraft.
„Was ist das?“, fragte Max neugierig, beinahe belustigt, als wäre es ein neuer Meteorit in einem alten Teleskop.
„Eine Möglichkeit“, sagte Lena, ein Funkeln in ihren Augen. „Eine Möglichkeit, dass das Ende der Geschichte vielleicht noch nicht geschrieben ist. Ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, mit dem die Menschen in diesen Realitäten anfangen können – mit unseren Erinnerungen und unserer Hilfe.“
Max und Tanja starrten sie an, fast so, als hätte sie gerade das Unmögliche entdeckt – was in gewisser Weise auch zutraf. Aber es war ein Neuanfang, ein neuer Hoffnungsschimmer vor der Dunkelheit der Alternativwelten.
Während die Sonne langsam über den Horizont der neuen Realitäten stieg, spürten die Wissenschaftler den Drang, den Mantel der Verantwortung nicht abzulegen, sondern ihn fester denn je zu umklammern. Es gab offene Fragen und zukünftige Herausforderungen, die darauf warteten, gemeistert zu werden.
Lena hielt inne, schaute noch einmal zurück in die Observatoriumsfenster und ließ ihre Gedanken durch das Labyrinth der Chancen driften. In jeder Hürde schlummerte die Hoffnung auf eine Entdeckung und in jedem Schatten ein neues Licht des Neuanfangs. Ihr Entschluss war gefasst – ohne Angst, voranschreiten und das Unbekannte umarmen. Ein Zeitsprung, der die Wahrheit enthüllen könnte. Und vielleicht, nur vielleicht, war das erst der Anfang ihres großen Abenteuers in den unwahrscheinlichsten Epochen der Zeit.
Das Glasuniversum – Science Fiction Story